Bericht 04 – on the road again

Mit einem krŠftigen Tršten aus unseren Fanfaren auf dem Dach grŸ§t Per Gauchito Gil.  Er soll fŸr eine gute Reise sorgen. Zahlreiche rote Schreine mit flatternden roten Fahnen am Stra§enrand sind ihm gewidmet. Dekoriert sind sie mit roten Fahnen, und drinnen und daneben liegen Autoteile, auch mal ein Schokoriegel oder eine fast leere Schnapsflasche (wenn er das mal nicht Ÿbel nimmt). Die katholische Kirche erkennt ihn nicht an, aber das tut seiner Verehrung keinen Abbruch. Auf unserem Campingplatz bei Rio Gallegos wurde fŸr seinen Todestag am 08. Januar schon ein gro§es Asado angekŸndigt. (Wer mehr Ÿber Gauchito Gil wissen will siehe Wikipedia.)

 

Navigieren in der Pampa: 

Kurs 180°, nach 250 km Kurs 205°  -  oder man verlässt sich auf die Fahranweisungen des Navigationsgerätes: „Fahren sie 250 km, dann rechts halten“. Die schnurgeraden Straßen verschwinden hinterm Horizont und sind trotzdem nicht zu Ende. 

 

 

 

 

 

 

 


Die Fahrt auf der asphaltierten aber sehr schmalen Ruta 3 immer gen SŸden ist gleichfšrmig und trotzdem faszinierend. Die Busch- oder Grassteppe reicht bis an den Horizont, aber rechts und links ZŠune, ZŠune, ZŠune. Manchmal springen Guanakos elegant darŸber, ab und zu ergreifen ein paar Nandus die Flucht und verschwinden im Nichts. StŠndiger Begleiter ist der patagonische Wind. An der Stra§e stehen Verkehrsschilder und warnen vor seiner Gewalt. Heute kommt er aus SŸden und ist bitter kalt. Hier ist eben alles ein bisschen anders: Die Sonne steht mittags im Norden, und der kalte Wind kommt aus SŸden.

Nicht immer ist der Himmel blau, oft lagern Wolkenschichten in Wei§, Hellgrau und Schwarz Ÿbereinander, gehen flie§end ineinander Ÿber, und wir sehen am Horizont, wo gerade Regenschauer herunter kommen. Selten  treffen sie auch uns, nicht nur mit Regen, sondern jetzt, mitten im hiesigen Hochsommer, auch mal mit Hagel.

 

Am Nikolaustag trennen wir uns kurzfristig von unserer Karawane, wir wollen auf die Halbinsel Valdez. Sie ist berŸhmt, weil von Juni bis November die Wale dort ihre Jungen zur Welt bringen, und dann teilweise bis auf 10 Meter an die KŸste herankommen. Aber wir sind zu spŠt dran. Ansonsten ist die Rundfahrt Ÿber die Halbinsel enttŠuschend. Es gibt ein paar touristische Aussichtspunkte, sorgfŠltig abgezŠunt. Von einem sehen wir in der Ferne Seelšwen reglos wie Dosensardinen liegen, ein anderer ist spannender, hier sehen uns Pinguine ebenso neugierig an wie wir sie.

Schon am nŠchsten Tag reisen wir wieder gemeinsam 250 Kilometer weiter gen SŸden und biegen dann ab auf 90 Kilometer Schotterpiste ans Meer zur Reserva Natural Cabo Dos Bahias. Die Fahrt in den Nationalpark ist phantastisch. Das Land ist hŸgelig, rote Felszungen ragen ins tiefblaue, manchmal tŸrkisfarbene Meer, formen herrliche Buchten. Wellen brechen sich an unterirdischen Felsbrocken, und die wei§e Gischt wird vom Wind Ÿbers Wasser gepeitscht. Wir dŸrfen im Naturschutzgebiet nur auf einem Campingplatz ohne Wasser und Toiletten Ÿber Nacht bleiben.  DafŸr sind wir, bis auf einen ankernden Segler, die einzigen GŠste und haben einen Platz mit Blick Ÿber Bucht und Meer.

Im Nationalpark ist eine gro§e Pinguinkolonie. Aber 90 Kilometer staubige, holprige Piste schreckt grš§ere Touristenstršme ab, und so sind wir anfangs ganz alleine mitTausenden der putzigen Tiere, die keinerlei Angst vor uns haben. Obwohl sie nur ca. 50 Zentimeter hoch und 4-5 Kilo schwer sind, klingen die Rufe der MŠnnchen so melodisch wie die eines Esels und sind auch ebenso laut. Die PŠrchen bleiben ein Leben lang zusammen, einige Pinguine liegen kuschelnd mit Partner vor ihrer Bruthšhle, andere schnŠbeln, wieder andere watscheln zum Meer oder wieder zurŸck. Es ist schwer, sich wieder loszurei§en, aber wir wollen noch zu den Seelšwen.  Auf einem steil aus dem Meer aufragenden Felsen liegen Ÿberall die dicken Brocken. Kletternde Seelšwen – unglaublich.  Wir kšnnen uns den Tieren ziemlich weit nŠhern, aber als sie uns bemerken, springen sie voller Panik ins Meer.

Bei Comodoro Rivadavia verlassen wir die KŸstenstra§e, biegen ab nach Sarmiento und sind wieder auf  einer Schotterpiste.  Ein deutscher Geologe hat hier 1907 nach Wasser gebohrt und ist auf …l gesto§en. Schade eigentlich, die Landschaft wŸrde ohne die zahllosen Fšrderpumpen und Stromleitungen viel hŸbscher aussehen. Wasser haben sie bis heute in der Gegend nicht gefunden, es muss von unserem nŠchsten Nachtplatz am 150 km entfernten Lago Musters  Ÿber Rohrleitungen hergebracht werden.

Im wenige Kilometer entfernt liegenden ãBosque Petrificado JosŽ OrmacheÒ laufen wir am nŠchsten Tag bei Ÿber 35¡C vorbei an ca. 65 Millionen Jahre alten versteinerten BŠumen.  Der Gang durch den schattenlosen Park ist schwei§treibend, aber auch atemberaubend schšn. SedimenthŸgel mit verschiedenfarbigen Sandschichten prŠgen diese WŸstenlandschaft, und dank Allrad kšnnen wir die Nacht abseits der Schotterpiste in der unendlichen baum- und strauchlosen Landschaft verbringen. 

 

Die Schotterpisten sind in sehr unterschiedlichem Zustand. Einige sind problemlos mit 60-70 km/h zu befahren, lediglich eine gewaltige Staubfahne ziehen wir immer hinter uns her. Bei anderen sind schon 20 km/h zu viel, aber Per fŠhrt auch hier mindestens 50 km/h weil er meint, dann schŸttelt und rŸttelt es auch nicht heftiger. Aber ab und zu kommt dann mal eine mŠchtige Bodenwelle oder ein Loch,  unser armes Auto stšhnt und scheppert ganz gewaltig. Ich stšhne auch, denn nur der Gurt hŠlt uns auf den Sitzen. Die entgegenkommenden Laster sind eine Gefahr, einer der Steine, die ihre Reifen hochschleudern, sorgen fŸr ein Loch in Martins Scheibe.  

Eine akzeptable Piste bringt uns zu dem gewaltigen Naturwunder, das wir fŸr die Weihnachtskarte verwendet haben. Dieser Zanj—n de Pescado (zanj—n = tiefer Graben)  steht in keinem ReisefŸhrer, nur Magda und Falk verdanken wir die Information seiner Existenz. Von einem atemberaubenden Nachtplatz haben wir zur einen Seite einen weiten Blick in die Ebene und zur anderen auf die Sand- und Gipsschichten, die von der Erosion zu bizarren Formen gestaltet wurden. Am Morgen sitzt auf dem hšchsten Punkt ein riesiger Vogel. Es ist ein 70 cm hoher Bussard-Adler (lt. Bestimmungsbuch Black-chested Buzzard-Eagle). Wenig spŠter entdecken wir auch das Nest im Felsen mit 2 Jungvšgeln.

 Am 16. Dez. gehtÕs dann weiter auf  Schotterpiste zum ãMonumento Nacional y Reserva Natural Bosque PetrificadosÒ. Hier liegen die grš§ten versteinerten BŠume der Welt, sie sind bis zu 35 Meter lang, und manche sollen 100 t wiegen. Die Fahrt durch den Park muss ein Fest fŸr Geologen sein, wir kšnnen sie einfach nur genie§en.  Lavagestein und Vulkankegel mit  schwarzen, grŸnen, roten und ockerfarbenen Farbschichten prŠgen die Landschaft.  Die Hitze flimmert, wir haben 38¡C im Schatten. Aber hier ist kein Schatten. Der Touristenweg - vorbei an den gewaltigsten BŠumen - erstreckt sich Ÿber 2 Kilometer. Trotz MŸtze, Brille und Wasserflasche habe ich am Ende fast einen Sonnenstich.

 

Nach so viel Highlights sehnen wir uns alle nach Ruhe. Der Ort Puerto San Juli‡n bietet einen staubigen Campingplatz, aber kleine Baumreihen sorgen fŸr etwas Windschutz, und Duschen gibtÔs auch. Am Ortseingang steht ein Kreuz zur Erinnerung daran, dass auf Veranlassung von Magellan  hier die erste Messe auf SŸdamerikanischem Boden gelesen wurde. Dass er vorher noch zwei MŠnner kšpfen lie§, wird nicht weiter erwŠhnt. Am Ufer steht der phantasievoll gestaltete Nachbau seines Schiffes ãVictoriaÒ, sehr heftig mit   kostŸmierten PappmachŽ-Figuren dekoriert.

Ulli hatte hier vor fŸnf Jahren in einem Restaurant eine so riesige Portion Asado (gegrilltes Fleisch) bekommen, dass er sie nicht geschafft hat. Aber die Zeiten sind auch vorbei. Asado steht gar nicht mehr auf der Speisekarte, wir bestellen Filet und gucken hungrig auf die vielleicht 150 g Fleisch, die sich ohne jede Beilage auf dem Teller verlieren. Das war auch ein Abschiedsessen. Martin bekommt Besuch von einem Freund aus Deutschland, mit dem er vier Wochen Ÿberwiegend in Chile unterwegs sein will.

 

Drei Tage vergehen , in denen wir WŠsche in die WŠscherei bringen, Adapter zum FŸllen der Gasflaschen besorgen, Mails schreiben, mit den Lieben daheim Kontakt aufnehmen, hervorragendes argentinisches Fleisch grillen, lesen, gammeln und die VorrŠte im šrtlichen Supermarkt wieder auffŸllen.

 

Dann weiter durch die Pampa Richtung SŸden zum Parque Nacional Monte Le—n. Waren die €gypter mal hier? Ein Berg sieht aus wie eine Pyramide, ein anderer Fels erinnert an eine Sphinx.

Auf einer vorgelagerten Insel herrscht mŠchtiges Treiben. UnzŠhlige Kormorane  waren bis in die 60er Jahre Lieferanten fŸr Guano. Zum GlŸck gibtÕs jetzt KunstdŸnger, denn die Všgel bauen ihre Nester aus Seetang und Guano, ihr Bestand hat sich seit dem Stopp des Abbaus wieder erholt. Und wieder gibt es Pinguine zu sehen, diesmal gehen die Besucher zuerst durch die Brutkolonie unter BŸschen und schauen dann von oben auf eine riesige Sandbucht, in der Hunderte herumwatscheln. Einige Jungtiere sitzen schon wie dicke graue Kuscheltiere vor den Nestern. Ihre Federn sind noch nicht wasserdicht, und sie fressen jetzt so viel, dass beide Elternteile Futter (bevorzugt Sardinen) heranschaffen mŸssen. Im April kšnnen die Jungen selber jagen und verlassen die Kolonie. Die Alten wechseln das Federkleid,  dann gehen auch sie ins Meer und kommen erst im September fŸr die nŠchste Brutsaison zurŸck.

 

Es wird Zeit, dass wir uns ein hŸbsches WeihnachtsplŠtzchen suchen. Im Nationalpark kšnnen wir nicht bleiben, denn wir wollen alle zu Weihnachten Kontakt mit den Lieben, und hier gibt es nicht mal Empfang fŸrs Telefon. Also durch bis zur nŠchsten Stadt Rio Gallegos. Die TouristenbŸros haben immer WiFi, aber dies hier ist geschlossen. Eine junge Frau sieht uns stehen, fragt uns auf Englisch, ob wir etwas brauchen. Sie wohnt gegenŸber und bietet uns schlie§lich an, Ÿber ihren Internet-Zugang ins Netz zu gehen. Fast unglaublich diese Hilfsbereitschaft, der wir hier immer wieder begegnen.

In der nŠchsten Nacht stehen wir an einem weiten Strand, im Hintergrund ein riesiges rostiges Schiff, das 1921 gestrandeten ist und nun dekorativ  langsam vor sich hin rostet. Interessant, aber ein besonders romantisches WeihnachtsplŠtzchen ist das auch nicht.

Also zum Campingplatz am Rio Grande. Hier gibt es kleine Gevierte, die durch  BŠumchen und GestrŠuch Windschutz bieten. In Deutschland ist es vier Stunden frŸher als hier, so kšnnen wir Ÿber Lauras Internet-Zugang alle noch mit unseren Lieben zu Hause sprechen, ehe  wir mit unserem Weihnachtsmahl beginnen. 

Es wird ein Weihnachten ganz ohne Kerzen; es ist schlie§lich bis 22 h hell. Wir sitzen im Freien, der Tisch ist mit GrŸnzeug  und Rosen geschmŸckt, dazu deutsche Weihnachtsservietten und ein MenŸ mit – natŸrlich Rinderfilet und gutem argentinischen Rotwein.

Am nŠchsten Tag kommen die Familien aus der Stadt – wenn man nur Pampa um sich herum hat, dann ist so ein staubiger Platz schon ein Ausflugsziel. Man ist laut, fršhlich, packt gro§e KŸhltaschen aus, dreht Boxen schšn laut auf. Zeit fŸr uns zum Aufbruch.

 

Wir wollen heute nicht weit, 60 Kilometer entfernt erheben sich ein paar erloschene Vulkane. In einem von ihnen ist die tiefblaue ãLaguna AzulÒ, sehr romantisch umschlossen von den steilen dunklen WŠnden des Kraters. Leider kommt man nur zu Fu§ runter, aber schon auf halber Hšhe kann man windgeschŸtzt in der wŠrmenden Sonne sitzen. FŸr unseren Nachtplatz fahren wir ein StŸckchen weg vom Kraterrand, denn im Laufe des Nachmittags É. siehe Campingplatz.

 

Am zweiten Weihnachtsfeiertag Ÿberqueren wir die Grenze nach Chile. Man darf weder GemŸse noch Obst oder rohes Fleisch einfŸhren. Alle Reste wurden entweder gegessen oder gekocht. Trotzdem haben wir in der KŸhlschranktŸr eine halbe Zwiebel und einige Knoblauchzehen Ÿbersehen. Andere Reisende hatten uns gewarnt – es gibt gro§en €rger, wenn man noch etwas dabei hat. Ein junger Mann schaut in unseren KŸhlschrank, wir mŸssen die Sachen abgeben, aber unsere Entschuldigung wird mit einem freundlichen LŠcheln quittiert.

70 Kilometer weiter gehtÕs mit der FŠhre Ÿber die Magellan-Stra§e nach Feuerland. Noch mal rund 150 Kilometer, davon 100 Kilometer Piste von der unangenehmen Sorte, dann kommen wir wieder nach Argentinien. Der Norden von Feuerland ist extrem karg, hier finden nur noch Schafe etwas Futter. Es sollen laut ReisefŸhrer auf den 60 Farmen, die sich den Norden der Insel teilen, mehr als eine halbe Million sein.  

Erst weiter im SŸden wird die Landschaft bergig und ist teilweise bedeckt mit niedrigem Wald. Wir verlassen die Routa 3 und fahren auf staubiger Stra§e ins Herz der Insel. Sanfte HŸgel, sattgrŸne Wiesen, glŸckliche KŸhe, blŸhender Lšwenzahn und viel Wald um uns herum. Mittendrin der Lago Yehuin, ein traumhafter See in einem Wald sŸdamerikanischer Buchen. Von den BŠumen hŠngen helle Flechten wie BŠrte, bizarre abgestorbene Baumgerippe, moos- und flechtenbewachsen, stehen wie Fabelwesen zwischen dunkelgrŸnem Buschwerk, und Ÿber den See schaut man auf die schneebedeckten Kordilleren. Wir stehen windgeschŸtzt auf sattem Gras. Per holt die KettensŠge raus und macht abgestorbene BŠume zu handlichem Feuerholz fŸrs abendliche Lagerfeuer.

Ein Traum, aber Silvester wollen wir am Ende der Welt (Fin del Mundo) in Ushuaia feiern, der sŸdlichsten Stadt der Welt. (Der Name stammt Ÿbrigens von den Yaman‡, den Ureinwohnern, und bedeutet: (ãDie Bucht, die das Land bis zum Westen durchdringtÒ.) Oberhalb von Ushuaia liegt ãCamping AndinoÒ.  BlŸhende Lupinen umgeben die einzelnen StellplŠtze, ein gemŸtlicher Raum mit WiFi bietet einen weiten Blick Ÿber die Stadt. Sie erstreckt sich um eine halbrunde Ausbuchtung des Beagle Kanals  und ist umgeben von Bergen. Zwischen Weihnachten und Silvester treffen sich hier Globetrotter zum Plausch.  Wir treffen Ÿberwiegend Motorradfahrer, die teilweise schon seit Jahren in der Welt unterwegs sind, fŸr sie gehšren wir mit unseren 5.000 Kilometern seit Buenos Aires noch nicht zu den Weitgereisten.

Wir feiern ein feuchtfršhliches Silvester und sto§en um 24 h mit allen Reisenden und Daheimgebliebenen in Gedanken an.  Prosit Neujahr!